Von der Blüte zur Frucht: Holunder im Gebüschsaum der 'Seeberge'
„Vor jedem Hollerbusch musst du den Hut ziehen“
Volksweisheit
Die Holunderblüte kündet den Frühsommer an. Von Ende Mai bis Ende Juni begleiten uns die großen weißen Blütenschirme des heimischen Wildstrauchs aus der Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae) an Feld- und Wegrändern, an Mauern, auf Brachen und zwischen Ruinen. Sie verströmen einen typischen herben Duft (der mich persönlich ein wenig an Katermarkierung erinnert). Im Karwer Park gedeihen Holunderbüsche insbesondere um die Ackerflächen und auf Lichtungsstellen, denn der Holunder liebt Licht und Wärme. Er zählt zu den schnellwüchsigen Pionierpflanzen. An guten Standorten kann der Strauch eine Höhe von 7 – 10 m erreichen. Die tief violett-schwarzen Steinfrüchte (fälschlicherweise ‚Beeren‘ genannt) reifen im September und haben eine starke Färbekraft. Man kann sogar Schafswolle mit Holundersaft dauerhaft einfärben (ergibt ein natürliches blauviolett bis dunkelrosa oder mauve). Holunderbeeren werden von vielen Vögeln und kleinen Säugetieren gefressen und so die Samen verbreitet. Die Blüten sind in erster Linie selbst befruchtend und deshalb nicht unbedingt auf Insektenbestäuber angewiesen. Holunder ist jedoch eine wichtige Futterpflanze für viele Schmetterlinge. Insbesondere Nachtfalter, wie z.B. der imposante Holunderspanner (Ourapteryx sambucaria), dessen Spannweite bis zu 5 cm erreicht, ernähren sich von Holunderblättern.
Bei den Germanen galt der Holunder als Sitz der Hausgöttin Freya (oder ‚Holla‘; auch identisch mit Frau Holle in Grimms Märchen). Als heiliges Gehölz durfte Holunder nicht verbrannt werden. Ein Hollerbusch stand als Schutzstrauch auf nahezu jedem Bauernhof. Blätter, Blüten, Rinde: kaum ein Teil der Pflanze der nicht in der Volksmedizin verwendet wurde. Getrocknete Holunderblüten- und blätter gelten als schweißtreibend und schleimlösend und werden bei Erkältungen oder zur Nierenspülung als Tee angewendet. Darüber hinaus lassen sich vielerlei kulinarische Überraschungen aus Holunder zaubern. Besonders beliebt und einfach herzustellen sind Holunderblütensirup- oder Gelee. Holunderrezepte findet man zahlreich im Internet. Auch aus den Beeren lässt sich im Herbst eine wohlschmeckende Marmelade kochen. Doch sollten sie niemals roh genossen werden, denn die Samen der Holunderbeeren enthalten den Giftstoff Sambunigrin, welcher erst bei einer Erhitzung auf 80°C unschädlich wird. Schlussendlich kommt die Vielseitigkeit des Holunders sogar der Wissenschaft zu Gute. Holundermark, im Herbst aus trockenen Wasserreisern gewonnen, ist auch heute noch das traditionelle und kostenlose Hilfsmittel des Hobbymikroskopikers, um ein Objekt – z. B. ein Blatt - einzuklemmen und mit Hilfe einer Rasierklinge hauchfein zu schneiden.
Doch aufgepasst! Neben dem „guten“ Holunder gibt es auch einen krautigen, staudenartigen Zwerg-Holunder, welcher kaum größer als 1,50 m wird. Dieser Holunder heißt Sambucus ebulus, im Volksmund auch ‚Attich‘ genannt. Dessen Samen und Beeren sind weitaus giftiger als die des schwarzen Holunders. Doch lassen sich beide Arten leicht unterscheiden. Während der echte Holunder lediglich 5 – 7 Fiederblätter aufweist, sind die Blätter von Sambucus ebulus wesentlich stärker gefiedert. Zudem riechen die Blüten von Sambucus ebulus nach Bittermandeln und haben rötliche Staubblätter, während Sambucus nigra gelblich-weiße Staubblätter aufweist. Die Früchte von Sambucus ebulus hängen niemals kopfüber, sondern stehen aufrecht an ihrem Busch. Die Unterschiede lassen sich anhand von Bildern im Internet leicht einprägen (eine praktische Bestimmungshilfe zu den heimischen Sambucus-Arten findet sich hier: https://www.blumeninschwaben.de/Zweikeimblaettrige/xKleineFamilien/holunder.htm#Zwerg-).
Foto links: Fertige Holunderprodukte eines Parkvereinsmitglieds; Foto rechts: dieser skurile Hollerbusch wächst aus einer alten, Kopfweide; aufgenommen im Juni 2024 an der Tollense, Burg Klempenow